Anja Niedringhaus (1965 – 2014)

Kurz vor den Präsidentenwahlen hat ein afghanischer Polizist Fotoreporterin Anja Niedringhaus erschossen. Die 48-jährige Deutsche war Mitglied der Jury von Swiss Press Photo.

Als sich die siebenköpfige Jury des Fotopreises im Januar abends im Holländerturm in Bern zum Essen traf, war Anja Niedringhaus guter Dinge. Die AP-Fotografin hatte allen Grund dazu. Sie hatte kurz zuvor in Afghanistan dem Tod ein Schnippchen geschlagen, als ein Wagen der Bundeswehr, in dem sie mitfuhr, auf eine Bombe fuhr und in die Luft flog.
Der Wagen überschlug sich, landete aber wie durch ein Wunder auf vier Rädern. Anja blieb unverletzt, von Kratzern und Quetschungen abgesehen. Die 48-jährige Fotografin schien, trotz aller Einsätze in Kriegs- und Krisengebieten, unverwundbar zu sein.

«Anjas Fotografien», schrieb AP-Fotodirektor Santiago Lyon in einem ihrer Bücher, «sind in vielerlei Hinsicht eine unmittelbare Spiegelung ihrer Persönlichkeit: mutig, direkt, fürsorglich, mitfühlend und humorvoll.»

Sie habe früher geglaubt, mit Bildern die Welt verändern zu können, hat Anja einst gesagt. Heute wisse sie, dass das nicht möglich sei. Trotzdem hat sie weiter fotografiert, nicht nur an der Front, sondern zum Ausgleich auch an grossen Sportanlässen. Dabei war sie stets eine Fotografin alter Schule. Den Versuchungen der digitalen Technik ist sie nie erlegen.
Das zeigte sich auch beim Abendessen in Bern, als unter den Jury-Mitgliedern von Swiss Press Photo unvermittelt Streit ausbrach über die Frage, ob zulässig es sei, Pressebilder am Computer zu retuschieren. Anja war die Wortführerin jenes Lagers, das das vehement verneinte. Fotografie war für sie nicht einfach ein Job, sondern immer auch eine Berufung. Der zu folgen sie den höchsten Preis bezahlt hat.

Ignaz Staub, Jurypräsident Swiss Press Photo